Neue Spielformen des Kinderfußballs: Das sind die größten Irrtümer

Steffen Baumgart („Sind eine Generation, die nur noch den weichen und seichten Weg geht“), Ralf Rangnick („Da dreht man völlig am falschen Rad“), Thomas Helmer („Das finde ich grotesk“) oder Dietmar Hamann („Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“): Vier Männer, denen man ihre Fußballkompetenz sicherlich nicht absprechen kann. Ihre öffentliche Kritik an den neuen Spielformen im Kinderfußball, die in Sachsen-Anhalt seit 2020 schon erfolgreich pilotiert und ab der Saison 2024/25 deutschlandweit zur Pflicht werden, offenbart jedoch vor allem eines: Unkenntnis über das neue Konzept.

"In einer immer schneller werdenden Zeit geht auch die Entwicklung des Fußballspiels immer weiter. Lernte man zu meinen Zeiten noch aus Radio, Zeitung oder Schwarz-Weiß-Fernseher die Bewegungen seiner Vorbilder kennen, so kommen Kinder heute schon durch YouTube, Facebook, Tiktok und Playstation geschult auf die Fußballplätze. Die Frage die ich mir als Trainer immer stelle ist, werde ich diesen Kindern gerecht und verstehe ich ihre Bedürfnisse? Jedes Kind träumt davon, einmal Fußballstar zu sein. Während die Kinder versuchen, diesem Traum näher zu kommen verlieben sie sich in den Fußball. Die meisten Kinder verfallen der Sucht am Sport ein Leben lang, finden Freunde und lernen, wie man sich in Gruppen verhält“, weiß Christian Stephan, FSA-Verbandssportlehrer und verantwortlich für die neue Spielformen im Kinderfußball, zu berichten. „Teilhabe ist ein oft erwähntes Wort in unserer Zeit. Mit den neuen Wettbewerbsformaten haben wir Erwachsenen die Chance alle Kinder teilhaben zu lassen. Teil an diesem schönen Spiel, Teil einer Gruppe und am Ende ein vollwertiger Teil unserer Gesellschaft“, so Stephan weiter.

Auch der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Bernd Neuendorf, äußerte sich im Zuge der aufkommenden Kritik deutlich zu den neuen Spielformen im Kinderfußball

Die größten Irrtümer:

Fehlender Leistungsdruck? Keine Torhüter*innen? Nur noch „Funino“? Abschaffung der Schiedsrichter*innen? Wir räumen mit den größten Missverständnissen über die neuen Spielformen im Kinderfußball auf!

VORWURF: AB SOFORT GIBT ES KEINE TABELLEN UND ERGEBNISSE MEHR – DAS LEISTUNGSPRINZIP WIRD KASSIERT!

Es ist richtig, dass es im Kinderfußball keine Tabellen (mehr) gibt und auch Ergebnisse nicht festgehalten werden. Dieses Prinzip ist allerdings nicht neu, sondern in Sachsen-Anhalt in der G- und F-Jugend bereits seit einigen Jahren etabliert und gelebt (Fair-Play-Liga). Es gibt also in diesen Altersklassen keine Veränderung zum Status quo. Sehr wohl werden auch bei den neuen Spielformen im Kinderfußball alle Spiele gewertet: Mannschaften steigen während eines Minifußball-Festivals (Stichwort: Champions-League-Modus) in das nächste Feld auf oder ab. Insofern lernen Kinder auch bei den neuen Spielformen mit Siegen und Niederlagen umgehen, selbst ohne Tabellen und klassische Spielergebnisse – eine Erfahrung, die wichtig ist. Das Leistungsprinzip gilt also weiterhin, gleichwohl sind die einzelnen Ergebnisse aufgrund der Vielzahl an Spielen in den neuen Spielformen aber auch schneller wieder vergessen.

 VORWURF: AB SOFORT WIRD NUR NOCH „FUNINO“ GESPIELT!?

„Funino“, also das Spiel Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei auf vier Minitore, ist nur ein kleiner Teil des neuen Kinderfußballs. Das Gesamtkonzept sieht eine altersgemäße Differenzierung zwischen den Altersklassen (G-, F- und E-Jugend) vor: Die Größe der Teams, der Tore und des Spielfelds wächst mit den Kindern mit; durch die fließenden Übergänge sind die Spielformen nicht an eine einzelne Altersklasse oder einen Jahrgang gebunden. So ist es bereits in der F-Jugend möglich, auf ein Fünf-gegen-Fünf mit zwei Kleinfeldtoren zu wechseln – optional auch mit Torwart!

Um den Kindern möglichst viele Ballaktionen zu ermöglichen, empfehlen wir jedoch, auch in der F-Jugend noch im Drei-gegen-Drei oder Vier-gegen-Vier auf vier Minitore zu spielen. In der E-Jugend wird im Fünf-gegen-Fünf oder im Sieben-gegen-Sieben gespielt. Beim Fünf-gegen-Fünf gelten die Regeln analog zur F-Jugend (entweder vier Minitore oder zwei Kleinfeldtore). Beim Sieben-gegen-Sieben wird auf zwei Kleinfeldtore gespielt. Das kommt dem „klassischen“ Fußball dann schon sehr nahe.

Die Spielformen auf einen Blick

G-Jugend: 2 vs. 2 oder 3 vs. 3

F-Jugend: 3 vs. 3, 4 vs. 4 oder 5 vs. 5 (optional mit Torwart)

E-Jugend: 5 vs. 5 (optional mit Torwart) oder 7 vs. 7 (mit Torwart und Nebenspielfeldern)

VORWURF: TORHÜTER*INNEN GIBT ES NICHT MEHR!

Bei den jüngsten Kicker*innen (G-Jugend) stehen insbesondere vielfältige Bewegungserfahrungen sowie Spaß und Freude am Fußball im Mittelpunkt. Eine positionsspezifische Ausbildung ergibt in dieser Altersklasse schlicht noch keinen Sinn. Natürlich sollen im Training aber auch Torschussspiele stattfinden, bei denen sich jede*r im Tor ausprobieren kann. Gleichwohl ist aber auch eine vielfältige, ganzheitliche sportliche Schulung für spätere Torhüter*innen essenziell, gerade mit Blick auf den Umgang mit dem Ball am Fuß. Ab der F-Jugend kommen dann beim Fünf-gegen-Fünf auch schon Torhüter*innen zum Einsatz, ab der E-Jugend regelmäßig. Fakt ist aber auch: Die wenigsten Bundesliga-Keeper standen schon in der F-Jugend im Tor!

VORWURF: DAS IST DOCH KEIN RICHTIGER FUSSBALL MEHR

Fußball heißt: zwei Mannschaften, Tore und ein Ball. Bei den neuen Spielformen im Kinderfußball sind es, zumindest bis zur E-Jugend, vier Tore. Was macht den Fußball aus? Spiel, Spaß und Torerfolge – genau das wird mit dem neuen System gefördert. Kinder können auf vielfache Art und Weise Tore erzielen. Das gilt vor allem auch für Kinder, die (noch) nicht zu den leistungsstärksten gehören. Zudem dribbeln die Kinder häufiger und haben mehr Ballaktionen, was die Technik fördert und jedes einzelne Kind sportlich verbessert. Auch das Verteidigen wird dadurch intensiver und individueller geschult.

VORWURF: JETZT WERDEN AUCH NOCH DIE SCHIEDSRICHTER*INNEN IN DEN UNTEREN ALTERSKLASSEN ABGESCHAFFT!

Bereits seit mehreren Jahren legt der FSA mit der Fair-Play-Liga Wert darauf, dass speziell die Kinder im F- und G-Jugendbereich den Fokus aufs Spiel legen, selbstständig Entscheidungen treffen und Erwachsene sie dabei begleiten. Durch den Verzicht auf Unparteiische lernen die Kinder eigenverantwortlich auf dem Fußballplatz zu handeln, sowie auch Mitverantwortung für die Mitspieler*innen zu übernehmen. Im Idealfall schaffen es die Kinder, eigenständig Entscheidungen zu treffen und zu akzeptieren. Folglich ist der Verzicht auf Schiedsrichter*innen in der G- und F-Jugend längst gängige Praxis und keine Folge der neuen Spielformen im Kinderfußball. In der E-Jugend wird künftig Fünf-gegen-Fünf gespielt, alternativ ein Sieben-gegen-Sieben. In dieser Spielform ist der Einsatz von Schiedsrichter*innen auch möglich – sofern sie vorhanden sind.

VORWURF: JETZT BRAUCHE ICH NOCH MEHR BETREUER*INNEN!

Die Entscheidung über Aus oder Foulspiel regeln die Kinder selbst – wie sie es vom Bolzplatz gewohnt sind. Kommt es dennoch zu Streitigkeiten, offenen Schuhen oder Verletzungen, sollen die Betreuer*innen und Eltern in ihrer Funktion als Spielbegleiter*innen helfen. Da ein Eingreifen aber nur selten nötig ist, muss nicht für jedes Feld ein Erwachsener da sein.

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Der Blick nach Europa

In vielen Ländern wurde in den vergangenen Jahren der Kinderfußball reformiert. Immer mehr Nationen setzen inzwischen auf Turniertage mit Kleinfeldern und einer reduzierten Anzahl an Spieler*innen. Dazu gehören Länder wie England, die Niederlande, Belgien oder die Schweiz. In all diesen Ländern wurde dadurch der Fokus auf das gelegt, was den Kindern Spaß macht: viele Ballkontakte, Dribblings und Tore. Ergebnisse und Tabellen sind zweitrangig. Dieser Fokus hilft den Kindern auch in der Entwicklung wichtiger Fähigkeiten im Fußball. Ein Lagebericht: (hier klicken)

(Text: Fussball.de)

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