„Eine Mannschaftssportart wie Fußball schweißt einfach zusammen“

Manfred Hecke (oberste Reihe ganz rechts) und Steffen Winkelmann(oberste Reihe ganz links) mit der Landesauswahl des BSSA 2016.

Zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung stellt der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) den Trainer Manfred Hecke vom Werkstatt-Team Aschersleben vor. 

Parallel dazu hat auch der Landessportbund Sachsen-Anhalt (LSB) eine Video-Aktion zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung auf seiner Webseite gestartet. Die Videobeiträge dazu findet ihr auf der Homepage des LSB, sowie auf deren YouTube, Facebook und Instagram.

Begonnen hat Herr Hecke als Trainer des Werkstatt-Teams in Aschersleben, mittlerweile ist er Co-Trainer der Landesauswahl des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Sachsen-Anhalt (BSSA). In einem Interview erzählt er Linda Banholzer, Inklusionsbeauftragte und zuständig für das Thema „Gesellschaftliche Verantwortung“ in der Geschäftsstelle des FSA, von den Anfängen, Erfolgen, aber auch Niederlagen seiner Mannschaften.

FSA: Herr Hecke, in welcher Funktion unterstützen Sie Menschen mit Behinderung beim Fußballspielen?

Manfred Hecke: Ich habe vor meiner Rente in einer Werkstatt für behinderte Menschen in Hoym als Gruppenleiter gearbeitet. Der Werkstattmeister hat von einigen Mitarbeitenden mitbekommen, dass diese gern Fußball spielen würden. Da er wusste, dass ich selbst einige Jahre bei Lok Aschersleben aktiv Fußball gespielt habe, ist er auf mich zugekommen und hat mir davon erzählt. So ist es dazu gekommen, dass wir im Februar 2007 eine Fußballmannschaft gegründet haben. Ich habe das erste Training angesetzt, an dem direkt 20 Fußballbegeisterte teilnahmen. Wir haben uns dann relativ schnell dem Verein Rotation Aschersleben angeschlossen, damit wir an den Wettbewerben des BSSA teilnehmen konnten.

Wir haben direkt im ersten Jahr der Mannschaftsgründung bei der Landesmeisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen in Neinstedt den ersten Platz geholt. Das war natürlich unglaublich und außergewöhnlich. Das hat auch die Geschäftsführung und den Werkstattleiter sehr begeistert, weshalb sie auch weiterhin bereit waren, unsere Mannschaft zu unterstützen.

Es hängt einiges daran, Fußballspiele zu organisieren: Ein Fahrzeug plus Fahrer und etwas finanzielle Unterstützung waren nötig. Als Auszeichnung für unseren Sieg in Neinstedt haben wir einen einwöchigen Urlaub, beziehungsweise ein Trainingslager, an der Nordsee gemacht und dort gegen verschiedene Mannschaften Freundschaftsspiele organisiert. Die Spieler und Spielerinnen haben sich darüber sehr gefreut und hatten wahnsinnig viel Spaß.

FSA: Besteht die Mannschaft nach den Erfolgen in der Anfangszeit heute noch?

Manfred Hecke: Ja, die Mannschaft besteht noch. Sie hat im Jahr 2020 noch bei den Landesmeisterschaften in Staßfurt mitgespielt. Dort war ich zwar auch dabei, doch ich bin nicht mehr Trainer der Mannschaft. Diese Funktion hat der Vereinsvorsitzende von Rotation Aschersleben übernommen.

Ich bin aber noch Co-Trainer der Landesauswahl von Sachsen-Anhalt für die Deutschen Meisterschaften des Deutschen Behindertensportverbandes. Dafür trommle ich Spieler aus ganz Sachsen-Anhalt zusammen und unterstütze den Landestrainer Steffen Winkelmann zwei Mal im Jahr bei der Organisation der Trainingslager. Unsere Landesauswahl von Sachsen-Anhalt war sogar 2012 Deutscher Meister und mehrmals in den letzten Jahren Vize-Meister. Und das ist schon eine tolle Sache, wenn das Training mit Erfolg belohnt wird. Außerdem macht es mir auch Spaß.

FSA: Was macht Ihnen insbesondere Spaß? Was ist das Besondere am Fußball mit Menschen mit Behinderung?

Manfred Hecke: Man merkt einfach, wie die Menschen mit Behinderung großen Spaß an der Bewegung und am Sport haben. Sie kommen raus aus ihrer gewohnten Umgebung, haben Abwechslung und eine sinnvolle Aufgabe, die ja oft auch von Erfolgen gekrönt wird. Vor allem tut ihnen aber die Gemeinschaft gut, das finde ich persönlich unglaublich wichtig. Eine Mannschaftssportart wie Fußball schweißt einfach zusammen, man motiviert und unterstützt sich gegenseitig. Wie gesagt, wir hatten nicht nur Höhepunkte, sondern mussten auch mal mit Niederlagen zurechtkommen. Da waren die Spielerinnen und Spieler natürlich gewaltig traurig und enttäuscht. Und da liegt es dann bei mir als Trainer, sie wieder aufzubauen und weiter zu motivieren. Gemeinsam als Mannschaft aus der Niederlage zu lernen und weiterzumachen stärkt die Menschen mit Behinderung enorm.

FSA: Das stimmt. Der Umgang mit Niederlagen gehört ebenso wie Siege zum Fußball dazu.

Manfred Hecke: Ganz genau. Wir hatten einmal einen Spieler, der nach einer Niederlage der gegnerischen Mannschaft nicht die Hand geben wollte. Da habe ich ihm aber gesagt, dass er auch mit Niederlagen fair umgehen muss. Das hat er sich dann auch zu Herzen genommen und beim nächsten Spiel fairer reagiert. Als Trainer braucht man in solchen Situationen Fingerspitzengefühl und muss mit seinen Spielerinnen und Spielern reden. Natürlich verliert keiner gern, aber man muss auch die Leistung des Gegners anerkennen. Da gehört es nach dem Gedanken des Fair-Plays dazu, sich nach dem Spiel die Hand zu geben.

FSA: Der Fußball ruht nun seit einigen Monaten aufgrund der Corona-Pandemie größtenteils. Wie wirkt sich das auf Ihre Mannschaft aus?

Manfred Hecke: Also im Moment ist es sehr schwierig. Selbst die Werkstätten für Menschen mit Behinderung waren zeitweise geschlossen, weil Corona-Fälle aufgetreten sind. Sogar Wohnheime wurden geschlossen, sodass die Bewohnerinnen und Bewohner zeitweise nicht mehr raus durften. Das war natürlich schwer für alle. Auch der Sport kann dementsprechend schon fast ein Dreivierteljahr nicht mehr stattfinden, was die Spielerinnen und Spieler natürlich frustriert. Wir hoffen aber weiterhin, dass es bald weitergeht. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass die meisten unserer Spielerinnen und Spieler dann wieder voller Freude zu ihrem Hobby Fußball zurückkehren werden.

FSA: Was steht als Erstes an, sobald Fußballspielen wieder möglich ist?

Manfred Hecke: Wir möchten, wenn wir an einem Wettbewerb teilnehmen, natürlich absolute Sicherheit für die Gesundheit unserer Spielerinnen und Spieler garantieren. Für dieses Jahr haben wir erst für Herbst ein Trainingslager mit der Landesauswahl angedacht, damit wir uns wenigstens alle wiedersehen und gemeinsam trainieren können. Vielleicht kommen bis dahin sogar noch ein paar neue Spielerinnen und Spieler dazu. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr wieder an der Deutschen Meisterschaft teilnehmen können. Diese Aussicht motiviert mich gerade sehr.

FSA: Was würden Sie Vereinen raten, die gern Menschen mit Behinderung aufnehmen würden?

Manfred Hecke: Der Rückhalt und die Unterstützung, auch durch die Lebenshilfe, hat uns sehr geholfen. Es ist wichtig, dass ehrenamtliche Arbeit auch mit Anerkennung belohnt wird. Mir macht das Training und die Spiele mit den Menschen mit Behinderung unglaublich viel Freude. Der Spaß mit der Mannschaft ist also meine Hauptmotivation und es gibt mir natürlich eine schöne Aufgabe während meiner Rente (lacht). Bei uns in der Werkstatt wusste jeder, dass ich der Ansprechpartner für Fußballbegeisterte war. Jede und jeder wusste, dass man immer zu mir kommen und am nächsten Fußballtraining teilnehmen konnte. Wir hatten also keinerlei Anforderungen und waren offen für jede und jeden.

Vereinen würde ich raten, sich den Rückhalt vom Vorstand zu holen. Der Verein sollte auf jeden Fall ganzheitlich dahinterstehen. Dann kann der Verein selbst aktiv Werbung machen und Kontakt zu Werkstätten für Menschen mit Behinderung suchen. Dort spricht sich das Angebot oft schnell rum und erreicht so die Mitarbeitenden.

FSA: Ein Ansprechpartner, den viele kennen, ist also auch wichtig?

Ja, auf jeden Fall. Und wir haben dann einfach „gemacht“. Das heißt, wir haben zum Beispiel ein Spiel gegen die Mannschaft der Lebenshilfe Magdeburg organisiert. Danach saß man noch zusammen und hat Kontakte geknüpft und sich ausgetauscht.

Ich bin heute, beziehungsweise war vor Corona, oft noch bei den Trainingseinheiten meiner ehemaligen Mannschaft bei Rotation Aschersleben. Das Tolle daran ist, dass wirklich jede und jeder willkommen ist. So kommen Spieler der Alten Herren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lebenshilfe zusammen. Oft sind wir 20 Personen, die da gemeinsam kicken und das macht einfach Spaß!

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