Doppel-Interview zum Frauen- und Mädchenfußball: "Die zukünftigen Spielerinnen in den Frauenteams wachsen gerade heran"

Besonders im Bereich Frauen- und Mädchenfußball haben Fußballvereine noch aussichtsreiche Chancen, ihre Mitgliederanzahl deutlich zu erhöhen. Auch der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) ist bemüht, die Zahl der kickenden Mädchen und Frauen in den Vereinen zu erhöhen. Im Rahmen der DFB Women`s Week äußern sich zwei Frauen, die sich seit Jahren mit dem Frauen- und Mädchenfußball ehrenamtlich befassen, zu den Herausforderungen und Aufgaben.

In ihrer Funktion als FSA-Vizepräsidentin für den Frauen- und Mädchenfußball weiß Jana Kilian um die Aufgaben im Landesverband. Und auch Sylvia Kleinert als Präsidentin des SV Blau-Weiß Dölau ist mit der Thematik bestens vertraut. Im Interview beleuchten beide die Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs in Sachsen-Anhalt:

 Frau Kilian, wie es ist um den Frauen- und Mädchenfußball im Fußballverband Sachsen-Anhalt bestellt?

Die Anzahl der Mannschaften im Frauenbereich ist nach einem Rückgang in den sogenannten „Corona-Jahren“ wieder stabil. In der Verbandsliga, der Landesliga und den fünf Regionalklassen sind in dieser Saison 61 Frauenteams aktiv im Spielbetrieb.

War die Anzahl an aktiven Spielerinnen bis zur Saison 21/22 fallend so sind sie aktuell leicht ansteigend. Aktuell verzeichnen viele Vereine einen Zulauf von Aktiven insbesondere im Mädchenbereich. Durch die „Tage des Mädchenfußballs“, Schulfußball-AGs speziell für Mädchen und die Trainingsangebote in den Vereinen begeistern sich immer mehr Mädchen für den Fußball.

Frau Kleinert: Auch ihr Verein verfügt über eine aktuell sehr erfolgreiche Damenmannschaft. Wie bewerten Sie den Status Quo?

Der Erfolg unserer Frauenmannschaft liegt in erster Linie an den sportlichen Leistungen der Mädels. Wir als Verein bzw. Vorstand können ja nur die Rahmenbedingungen gestalten. Den Ball auf dem Spielfeld müssen die Spielerinnen schon selbst bewegen, bestenfalls natürlich ins Tor. Wir stehen in sehr engem Kontakt mit der Frauenmannschaft. Vor allem der Abteilungsleiter Torsten Kleinert zeigt hier immer wieder sehr großes Engagement, um den Spielerinnen optimale Bedingungen für den Trainings- und Spielbetrieb zu bieten. Es finden regelmäßige Gespräche und Auswertungen statt. So konnten auch Probleme, wie zum Beispiel der mehrfache Trainerwechsel, wobei die Frauen zeitweise auf sich selbst gestellt waren, immer wieder gelöst werden. Mit Helene Schmalfeld spielt zum Glück eine ausgebildete Trainerin mit B-Lizenz mit im Team, die dann interimsmäßig eingesprungen ist. Die jetzige Lösung mit unserem Torwart-Trainer Rüdiger Blumentritt, der die Mannschaft am Anfang des Jahres kurzerhand übernahm und Peter Göth, der bereits in der letzten Saison Teil des Trainerteams war, scheint offensichtlich gut zu funktionieren. Auch hier sind es der Dölauer Spirit, der Zusammenhalt und das Füreinander, die auch in schwierigen Situationen eine Lösung und somit auch den Erfolg bringen. Getreu unserem Motto: Ein Team -Ein Weg -Ein Ziel!

-------------------------------------------------

Jetzt bewerben: Tag des Mädchenfußballs

-------------------------------------------------

Frau Kilian, in den zurückliegenden Jahren ist die Zahl der am Spielbetrieb teilnehmenden Frauen-Mannschaften auf einem Level stagniert. Ist das Tal durchschritten, oder bleibt es weiterhin bei wenigen Teams, die in Sachsen-Anhalt auf Großfeld auflaufen?

Ja, das Tal ist durchschritten. Es geht voran. Aber das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Die zukünftigen Spielerinnen in den Frauenteams wachsen gerade heran.

Bei den Mädchen bilden aktuell noch die B- und C-Juniorinnen den größten Anteil der aktiven Spielerinnen. Dies wird sich aber durch den großen Zulauf im Nachwuchsbereich sicher bald zugunsten der E- und D-Juniorinnen auswirken. Somit ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Frauenfußball im Verband in den nächsten Jahren, wenn diese Mädchen in den Frauenbereich wechseln, im Großfeldbereich mehr Mannschaften im Land am Start haben wird.

Frau Kleinert, Dölau zählte über Jahre zum festen Establishment in der Verbandsliga. Welche Gründe gab, die Mannschaft damals aus der höchsten Liga zurückzuziehen und wie hat es der Verein geschafft, die Trendwende einzuläuten?

Hier ist mit Sicherheit die Corona-Pandemie zu benennen. Unsere Frauenmannschaft besteht neben langjährigen Spielerinnen auch zum großen Teil aus Studentinnen, die während ihres Studiums einige Jahre bei uns spielen und danach in ihre Heimat zurückgehen. Bedingt durch Corona und die damit verbundenen langen Spielpausen sowie das Online-Studium von zu Hause aus, wechselten viele von den Spielerinnen vorzeitig zurück. Unser Kader gab demnach einfach keine Spielstärke für die Verbandsliga her. So haben wir mit der SG Motor Halle eine Spielgemeinschaft gebildet, um überhaupt in ausreichender Spielstärke am Großfeldspielbetrieb teilnehmen zu können. Wir ließen aber trotzdem die Frauen selbst entscheiden, in welcher Spielklasse sie spielen wollen. Und sie entschieden sich für die Landesliga. Was sicher die richtige Entscheidung war, um über einen längeren Zeitraum und ohne großen Druck eine neuformierte Mannschaft aufzubauen, so wie sie heute auf dem Platz steht.

Frau Kilian, aktuell arbeitet der FSA mit dem Deutschen Fußball eng zusammen, um mit dem Projekt DFB-Assist den Frauen- und Mädchenfußball in Sachsen-Anhalt wieder zu stärken. Können Sie zu dieser Thematik schon Einblicke geben?

Sehr gern mache ich dies. Der DFB hat eine Ist-Analyse zum Frauen- und Mädchenfußball anhand der vorliegenden Daten erstellt. Diese Analyse zeigte die Stärken und Schwächen unseres Landesverbandes. Im Projekt gilt es nun insbesondere durch gezielte und planbare Maßnahmen in den kommenden Jahren die Anzahl der aktiven Frauen ob in Gremien, als Trainerinnen, Spielerinnen, Schiedsrichterinnen zu erhöhen und zu fördern.

Frau Kleinert, welche Impulse könnten aus Ihrer Sicht seitens des Landesverbandes noch gesetzt werden, um Vereine im Bereich des Frauen- und Mädchenfußballs zu unterstützen?

In erster Linie ist es natürlich Voraussetzung, den Mädchen und Frauen den Fußball nahe zu bringen. Momentan dominiert hier immer noch ein Fokus auf dem Herrenbereich Ob in der medialen Berichterstattung oder in den Vereinen selbst. Auch wenn sich durch die Erfolge unserer Frauen-Nationalmannschaft hier sicherlich schon Einiges bewegt hat. Veranstaltungen wie der Tag des Mädchen- und Frauenfußballs sind hier sicherlich zielführend. Oder Sichtungstage für Nachwuchstalente, wie sie regelmäßig auf unserem Sportgelände vom Fußballverband Sachsen-Anhalt durchgeführt werden. Die Mädchen müssen einfach Lust bekommen, Fußball spielen zu wollen. Und wenn sie bereits in einem Verein spielen, sollten sie natürlich so behandelt werden, dass sie nicht gleich wieder hinschmeißen. Vorurteile auch in den Köpfen der Trainer müssen abgebaut werden. Vielleicht ist ein Tool während der Lizenzausbildung, der sich speziell mit Mädchenfußball beschäftigt, ein Ansatz. Aus der Schulzeit meines Sohnes ist mir der Satz „Es gibt nichts Ungerechteres als Ungleiche gleich zu behandeln.“ sehr in Erinnerung geblieben und auch ein bisschen Leitfaden in meinem Leben geworden, denn es gibt nun mal Unterschiede im Umgang mit Mädchen und Jungs. Auch die Ausbildung von mehr jungen Trainerinnen ist sicherlich wichtig, so dass die Mädchen sich ihre weiblichen Vorbilder suchen können. Eine Generallösung für das Problem, wie das Klischee, dass Fußball nur was für Jungs und Männer ist, habe ich natürlich auch nicht. Außer, dass ich selbst vielleicht in gewisser Weise mit gutem Beispiel vorangehe.

Könnte eine aus deutscher Sicht erfolgreiche Heim-Europameisterschaft auch einen positiven Einfluss auf den Kinderfußball haben?

Jana Kilian: Definitiv. Aber ich denke, dass dies auch vom Erfolg der deutschen Nationalmannschaft abhängt. Mehr Erfolg – mehr Begeisterung bei den Kindern für Fußball. Aber auch egal wie die deutschen Fußballer abschneiden, uns muss es gelingen viele Kinder an den Ball zu bringen und sie auch dort zu halten. Mit den neuen Spielformen im Kinderfußball bietet sich für uns die Möglichkeit viele gute Spieler und Spielerinnen durch die vielen Eins-gegen-Eins-Situationen im Zweikampf, im Dribbling und in vielen weiteren technischen Bereichen zu entwickeln. Auch gerade im Mädchenbereich bieten sich mit den Drei-gegen-Drei Turnieren ideale Einstiegsbedingungen in den Fußball. Man hat viele Ballkontakte, jede kann spielen und hat auch Torerfolge. Dadurch bleibt die Freude am Spiel natürlich erhalten und die Mädels bleiben am Ball.

Sylvia Kleinert: Auf alle Fälle! Das haben die vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften ja bereits gezeigt. Zumindest hatten wir danach immer einen erhöhten Zulauf von Mädchen im Verein. Die schwierige Aufgabe ist es dann, den Hype nach der Euphorie und die damit verbundene Begeisterung für den Fußball am Leben zu halten und auszubauen.

Zum Abschluss noch die Frage an Sie beide, wie schaffen es der Fußballverband und die Vereine in Sachsen-Anhalt, dass mehr Mädchen und Frauen wieder den Weg zum Fußball finden?

Jana Kilian: Es wäre ideal, wenn es in jedem Kreisfachverband/Stadtfachverband einen Ansprechpartner*in für die interessierten Mädchen geben würde, der/die ihnen sagt welcher Verein, wo und wann Mädchenfußball anbietet. Zudem sollten die Vereine immer offen auch für die Mädchen und Frauen sein. Was meist mit einer kleinen spontanen Trainingsstunde beginnt, kann so schnell durch positives Feedback zu einer regelmäßigen Aktion werden. Die vom DFB geförderten Tage des Mädchenfußballs, für die sich jeder Verein anmelden und dann durchführen kann, bilden hier einen guten Einstieg.

Gemischte Teams gibt es ja bereits schon in vielen Vereinen, wenn es den Vereinen nun noch durch attraktive Spielangebote für Mädchen gelingt, diese dauerhaft für den Fußballsport zu begeistern, wird man sicher schnell wieder Mädchenmannschaften (vielleicht auch in verschiedenen Altersklassen) auf die Beine gestellt haben. Wenn diese dann sogar regelmäßig Miniturniere oder Spiele mit anderen Vereinen austragen, dann ist die positive Entwicklung des Spielbetriebes der Mädchen und zukünftigen Frauenspielerinnen doch nicht mehr aufzuhalten.

Sylvia Kleinert: Wie bereits erwähnt, ist hier viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Vielleicht sollte man sich dabei auch der modernen Medien bedienen, mit denen junge Menschen heute kommunizieren. Promo-Videos, vielleicht als Wettbewerb ausgeschrieben, finanzielle oder materielle Unterstützung für Vereine, die eine Mädchen- oder Frauenmannschaft betreuen, die Zusammenarbeit von Schule und Verein in Form von Fußball-AGs, Informationsveranstaltungen wie der Tag des Mädchenfußballs und Sichtungstage für Nachwuchstalente sind sicherlich gute Ansätze. Auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Vereinen sowie mit dem FSA. Dazu könnte man sich regelmäßig treffen, um ein entsprechendes Netzwerk auf- und auszubauen.

Und ich schließe, wie ich begonnen habe: Wir können nur den Rahmen basteln, so gut es eben geht. Fußball spielen müssen die Mädchen und Frauen auch selbst wollen.

Vielen Dank für das Interview!

Veranstaltungstipps

Werbung // Sponsored Links


Kontaktdaten

Fußballverband
Sachsen-Anhalt e.V.
 

Geschäftsstelle 

Hegelstraße 30

39104 Magdeburg 


Telefon: +49 391 85028-0 
Telefax: +49 391 85028-99
E-Mail: info@fsa-online.de

Seite empfehlen:


ZUM SEITENANFANG
Werbung // Sponsored Links