DFB-Lagebild: Anstieg an Spielabbrüchen
In der Saison 2021/22 sind 911 Fußballspiele in Deutschland aufgrund von Gewalt- oder Diskriminierungsvorfällen abgebrochen worden. Seit 2014 lässt der DFB auf Basis der Online-Spielberichte der Unparteiischen ein Lagebild des Amateurfußballs erheben. Noch nie mussten so viele Spiele in einer Saison abgebrochen werden. Sowohl die Gesamtanzahl an Abbrüchen als auch ihr Anteil von 0,075 Prozent an allen erfassten Spielen bedeuten Höchststände seit Beginn der Datenerhebung. Im Online-Spielbericht füllen die Schiedsrichter*innen im Tab „Vorkommnisse“ aus, ob es zu einer Gewalthandlung oder zu einer Diskriminierung während des Spiels gekommen ist.
© Marcel Theumer
„Erstmals in drei Jahren konnten wir wieder eine Saison ohne Lockdowns absolvieren. Das freut uns, aber gleichzeitig müssen wir erstmals einen Anstieg bei den Spielabbrüchen feststellen, wobei wir uns immer noch im Promillebereich bewegen. Zuletzt haben wir die Präventions- und Interventionsarbeit deutlich ausgebaut. Bei dieser Anstrengung dürfen und werden wir nicht nachlassen“, sagt der 1. DFB-Vizepräsident Amateure, Ronny Zimmermann. „Das Lagebild des Amateurfußballs ist für uns sehr wichtig. Aufgeschlüsselt nach Region oder Spielklassen, ermöglichen es uns die Zahlen, bei der Präventionsarbeit in den Landesverbänden bedarfsorientiert anzusetzen.“
In der Saison 2021/22 wurden von 1.455.416 ausgetragenen Spielen 1.219.397 Spiele mit einem Online-Spielbericht erfasst. Bei den erfassten Partien wurden 5.582 Vorfälle, davon 3.544 Gewalthandlungen und 2.389 Diskriminierungen, gemeldet. Erstmals in den vergangenen drei Jahren konnte wieder eine komplette Fußballsaison im Amateurbereich absolviert werden. Zuvor hatte die Pandemie zu deutlichen Rückgängen bei den ausgetragenen Spielen geführt: 852.591 Partien hatten in der Saison 2019/20 stattgefunden, lediglich 451.806 in der Saison 2020/21.
Die Quote der Spielabbrüche war über Jahre stabil geblieben, dies hat sich nun geändert. Von 0,05 Prozent ist der Anteil auf 0,075 Prozent gestiegen. Umgerechnet bedeutet das: Im Schnitt wurde jedes 1339. Spiel in der vergangenen Saison abgebrochen.
Die Tübinger Kriminologin Dr. Thaya Vester berät den DFB bei den Ergebnissen des Lagebilds. Sie hat eine Studie zu den Ursachen von Spielabbrüchen durchgeführt, diese wird im Laufe der kommenden Wochen veröffentlicht. Vester plädiert dafür, dass in Zukunft noch genauer analysiert wird, welche Konflikte den Spielabbrüchen zugrunde liegen. Sie sagt: “Es steht außer Frage, dass ein Spiel sofort abgebrochen werden muss, wenn Unparteiische tätlich angegangen werden. Wie aber beispielsweise auf Diskriminierungen reagiert werden soll, ist vielen nicht klar. Es muss noch mehr darüber informiert werden, dass der Drei-Stufen-Plan auch im Amateurfußball gilt."
„Konflikte im Fußball sind keine Seltenheit und begegnen uns immer wieder"
Das Lagebild ermöglicht einen Einblick, wie die verschiedenen Gruppen als Beschuldigte oder Geschädigte vertreten sind. Unter den Spieler*innen befinden sich leicht mehr beschuldigte (3.700) als geschädigte Personen (3.152) vor, bei den Zuschauer*innen ist das Verhältnis eindeutiger (1884/421). Schiedsrichter*innen (78/2399) sind fast ausnahmslos Geschädigte von Diskriminierungen oder Gewalthandlungen. Um eine wirksame Bearbeitung der Vorfälle zu gewährleisten, ist in jedem der 21 Landesverbände des DFB eine Anlaufstelle für Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle eingerichtet worden. Im Rahmen des vom Bundesministerium des Innern geförderten Projekts “Fußball Verein(t) Gegen Rassismus” sind die präventiven Anstrengungen für einen möglichst gewalt- und diskriminierungsfreien Fußball zuletzt noch einmal intensiviert worden.
Auch im Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) werden Spielabbrüche sowie Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle wöchentlich thematisiert. Neben den oben genannten Projekten wurde auch beim FSA eine Anlaufstelle eingerichtet, bei der Vorfälle gemeldet werden können. Zudem laufen aktuell Planungen zur Umsetzung von Deeskalationsschulungen. „Konflikte im Fußball sind keine Seltenheit und begegnen uns immer wieder. Die höchste Form dieser Konflikte sind Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle und daraus resultierende Spielabbrüche. Um solche Vorfälle zu vermeiden, setzen wir zunehmen auf Fortbildungen und Schulungen von Spieler*innen, Funktionären, aber auch Schiedsrichter*innen. Darüber hinaus sind wir gerade dabei, Fair Play-Beauftragte in den Regionen in Sachsen-Anhalt auszubilden, die nach Vorfällen aktiv auf die betroffenen Vereine zugehen.“ sagt Linda Banholzer, beim FSA hauptamtlich für das Ressort Gesellschaftliche Aufgaben verantwortlich.